Spiralcurriculum

Bei der Auswahl von Unterrichtsinhalten entstehen in der Praxis sehr unterschiedliche Probleme, die auch durch Bildungspläne, Richtlinien und vorgegebene Lehrpläne nicht oder nur teilweise gelöst werden. Sehr häufig entsteht bei den Schülerinnen und Schülern der Eindruck, dass die aktuellen Lerninhalte beliebig seien und nichts mit vorausgegangenen Inhalten auf früheren Stufen zu tun hätten. Ein Ergebnis: Den Lernenden fehlt die Orientierung über den Sinn des Lernens.

Neben unterschiedlichen theoretischen Ansätzen der Curriculumtheorie (vgl. OTTO/SCHULZ 1986), beispielsweise bildungstheoretischen und qualifikationsorientierten Modellen zur Inhaltsauswahl, wird häufig das „Spiralcurriculum“-Konzept genutzt. Besonders beim fächerübergreifenden, projektorientierten Lehren und Lernen sowie bei allen Lernformen, die über Bildungspläne, Lehrpläne und Richtlinien nicht minutiös vorgeplant werden können, überall da also, wo strukturgebundenes und Zusammenhänge herstellendes Vorgehen erforderlich ist, sollen mit dem Spiralcurriculum-Modell diese Zusammenhänge hergestellt werden.

Bei der Modellvorstellung eines Spiralcurriculums – die Neu-Konzeption geht auf BRUNER (1980) im Zusammenhang mit der amerikanischen Curriculumtheorie der frühen 70er Jahre zurück – wird von folgender Vorstellung ausgegangen: die wesentlichen Strukturen eines Faches (z. B. der Physik) oder eines Lernbereiches lassen sich aus der durch den Fortschritt der Wissenschaften immer weiter anwachsenden Stofffülle isolieren und in wenigen Prinzipien/Kategorien verallgemeinern (z. B. im Teilchenmodell-Konzept in der Physik u. ä.). Dies galt analog für die wesentlichen Verfahren (Methoden, z. B. Experimentieren) der Disziplin. Im engen damaligen Verständnis (70er Jahre) handelte es sich beim Spiralcurriculum um ein einseitig materiales, inhaltsbezogenes Konzept ohne besondere Berücksichtigung der Lernmotivation der Schülerinnen und Schüler und ohne Beachtung ihrer Lernmöglichkeiten, also ohne Beachtung der individuellen Gegenwartsbedeutung. Auch eine gesicherte bildungstheoretische bzw. eine überzeugende curriculumtheoretische Legitimation wurde nicht vorgelegt. Im Sinne einer ‚Abbilddidaktik‘ sollten wesentliche Inhalte und Verfahren einer – meist universitären – Disziplin von Fachleuten aus eben dieser Wissenschaft, ausgewählt und auf allen Lernstufen abgebildet werden.

Nach der Überwindung dieses engen Verständnisses (in den 80er Jahren) dient das Spiralcurriculum-Konzept heute dazu, bereits anderweitig legitimierte Inhalte unterrichtspraktisch auf unterschiedlichen Schulstufen bzw. beim Lehren und ‚Lernen in heterogenen Lerngruppen‘ lehrbar zu gestalten.

Das bildungstheoretisch fundierte Curriculumkonzept der „Schlüsselprobleme als Konzentrationskerne einer zeitgemäßen Bildungskonzeption“ (KLAFKI 1991a, vgl. 1985 und 1991b) kann ebenso auf die fachlichen Ansätze (vgl. zur Arbeitslehre DUISMANN 1988) konkretisiert werden, wie auf berufsbezogenes Lernen. Es lassen sich Schlüsselprobleme – abgeleitete, niederer, d. h. konkreter Ebene – in allen Ausbildungsberufen und hier auch in einzelnen Lernbereichen (selbst in isolierten Fächern) entwickeln.

Beispiel:
Vom generellen und globalen Schlüsselproblem „ökologisch verträgliche Technikgestaltung“ kann als konkretes Ziel entwickelt werden: Kennenlernen und Anwenden der „Möglichkeiten des Einsatzes von lösungsmittelfreien Lackwerkstoffen in der Automobilproduktion bzw. bei der -reparatur“.

Ergänzt wird das inhaltsdominierte bildungstheoretische Konzept durch das qualifikationstheoretisch fundierte, das auf die Herausbildung von Schlüsselqualifikationen gerichtet ist. Schlüsselqualifikationen sind typische Elemente formaler Bildungs- bzw. Curriculumkonzepte. Dieser Ansatz, bestimmte, scheinbar ‚inhaltslose‘, Prinzipien zum Inhalt des Lehrens und Lernens zu machen – beispielsweise das ‚Lernen des Lernens‘, ‚Teamfähigkeit und Kooperationsbereitschaft‘ u. a. – erhält in Form der neuen Schlüsselqualifikationen – nach der Neuordnung der Berufe – auch in den allgemeinbildenden Schulformen der Sekundarstufen zunehmend Bedeutung.

Fächerübergreifende Inhalte, einzelne Unterrichtsfächer oder besser Lernbereiche und auch Schlüsselqualifikationen lassen sich also als Segmente einer Curriculumspirale verstehen, die eine umfassende Allgemeinbildung abbildet. Dieses Verständnis setzt aber voraus, dass ein solches umfassendes Gesamtkonzept vorliegt. Hier könnte das bildungstheoretisch begründete „Schlüsselproblem-Konzept“ mit seinen notwendigen Ergänzungen nach KLAFKI genutzt werden.