Qualifikation
Der Begriff stammt ursprünglich allein aus ökonomischen Zusammenhängen. Bei der Beurteilung von Mitarbeitern wird er beispielsweise als Nachweis einer bestimmten und isolierten Befähigung verstanden (Beispiel: Schweißschein). Qualifikation im obigen Sinne ist oft mit einer Berechtigung zu einem bestimmten Tun verbunden. Der Qualifikationsbegriff ist ein relationaler Begriff, d. h. er lässt sich als Beziehung zwischen einer Person und einer Situation darstellen. Die Person erschließt sich eine Situation durch Tätigsein. Immer dann, wenn die Aktivitäten der Person ein gewisses Niveau von Fähigkeiten und Fertigkeiten aufweisen, die sich auf die Lösung bestimmter eng begrenzter beruflicher Aufgaben beziehen, spricht man von Qualifikation.
In die allgemeine Pädagogik wurde der Begriff in den 60er Jahren eingeführt, um den traditionell belasteten klassischen geisteswissenschaftlichen Bildungsbegriff zu ersetzen. Als Qualifikation wurde – in Anlehnung an das genannte Verständnis – das Bewältigen von bestimmten definierten Lebenssituationen bezeichnet. Solche Situationen waren: Beruf, Freizeit, Öffentlichkeit u. ä. An dieser, in der Curriculumtheorie und Richtlinienpraxis auch heute noch gebräuchlichen Verwendung, wurde die Kritik ab Beginn der 80er Jahre erheblich verstärkt (vgl. KLAFKI 1985, 1991), und der Bildungsbegriff erlebte eine eindeutige Renaissance, als das Konzept Schlüsselqualifikationen „Neue Allgemeinbildung“.
Abb.: Wissen und Können im Spannungsfeld von Bildung und Qualifikation (vgl. RAUNER 2002)
Galt früher für die Praxis aber auch im übertragenen Sinne für die Schule die Meisterlehre mit ‚Erklären, Vormachen, Nachmachen, Üben‘ als Garantie einer erfolgreichen Adaption beruflicher Lerninhalte, so wird aus dem bisher dargestellten deutlich, dass diese Form der Aneignung inzwischen nicht mehr ausreicht. Dies gilt auch für die streng algorithmische Abarbeitung von Vorgaben der Lehrpläne und Richtlinien. Die gewohnten Strategien sind u. a. deshalb zu statisch, weil sie für stabile „bewährte“ Ausbildungsinhalte und Arbeitsprofile angelegt wurden und auf die Notwendigkeit des ständigen Wandels aufgrund der schnellen Veränderung der Anforderungen an Arbeit und Ausbildung nicht ausreichend reagieren können. Feste Inhalte meist in Form von Faktenwissen in vielen kleinen Teilschritten algorithmisch vermittelt, lassen z. B. kein selbständiges Planen, Durchführen und Kontrollieren zu und erfüllen damit nicht die zentralen curricularen Vorgaben beruflicher Bildung.
Hier gab es schon zu Beginn der 70er Jahre (Deutscher Bildungsrat 1973, MERTENS, BAETHGE) Überlegungen, die additive Aneinanderreihung von fachwissenschaftlichen Begriffswissen, die Stofffülle, zugunsten von komplex-vernetzten Lehr- und Lernverfahren mit einem emanzipatorischen Anspruch und exemplarischer Bedeutung aufzugeben.