Handlungsorientierter Unterricht

„Handlungsorientierter Unterricht ist ein … (komplex vernetzter) und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Organisation des Unterrichtsprozesses leiten, sodass Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden können.“ (MEYER 1987, 214) Es handelt sich nicht um ein didaktisches Modell sondern lediglich um ein didaktisch-methodisches Konzept (andere Begriffe sind pädagogisch-didaktisches Konzept, Lehr-Lern-Arrangement oder Lernarchitektur). Dieses Konzept ist im Wesentlichen dem aktuellen didaktischen Modell der konstruktivistischen Didaktik zuzuordnen. Gegenkonzept ist das Instruktionslernen.

Handlungsorientierter Unterricht ist ein auf die Arbeitspädagogik der Reformpädagogik zurückgehender Begriff. Er hat allerdings schon Vorläuferkonzepte in Pestalozzis Idee der Elementarbildung als Einheit von Kopf, Herz und Hand und den Selbsttätigkeitskonzepten des 19. Jahrhunderts wie bei Diesterweg oder Fröbel. In der Arbeitspädagogikdebatte zu Beginn der Weimarer Republik wurden sehr heterogene Konzepte vertreten wie die freie geistige Schularbeit bei Gaudig (1869 – 1923), der Ansatz, schulisches Lernen in den gesellschaftlichen Produktionsprozess zu integrieren (Paul Oestreich (1878 – 1959) oder die mehr auf handwerkliches Schaffen ausgerichtete Pädagogik Kerschensteiner (1854 – 1932). Zeitgleich entwickelten John Dewey (1859 – 1952) und William Heard Kilpatrick (1871 – 1965) den Ansatz des „learning by doing“, bei dem das handelnde Erkunden der die Schule umgebenden Wirklichkeit bedeutsam war. Aber auch andere Vertreter der Reformpädagogikepoche setzten sich von der Verbalschule ab und betonten die pädagogische Wirksamkeit von handelndem Lernen wie Freinet (1896 – 1966) oder Montessori (1870 – 1952).

Auch heute gilt dieser Ansatz als produktives didaktisch-methodisches Konzept. Handlungsorientierung basiert heute lerntheoretisch auf zwei grundlegenden Theorien, nämlich der auf die sowjetische Psychologie um Wygotski und Alexej Leontjew zurückgehenden Tätigkeitstheorie sowie den auf die kognitive Handlungstheorie von Piaget und Aebli zurückgehenden Ansätzen zur entwicklungspsychologischen Fundierung des Lernens. Vielfach verschwimmt der Begriff der Handlungsorientierung mit dem ganzheitlichen, entdeckenden oder offenen, kindgemäßen Unterricht. Deshalb sind Qualitätskriterien erforderlich, die Handlungsorientierung klarer definieren.

Handlungsorientierung verzichtet auf das Prinzip der inhaltlichen Vollständigkeit eines Themenkanons, sondern ist eher exemplarisch; nicht die Einverleibung von Begriffen, sondern ihr Nach-Schaffen und das Neukombinieren von Gegebenheiten sind wesentlich. Vereinfacht gesagt erweitert die Handlungsorientierung die Ganzheitlichkeit in der Betrachtung des Lerners und seines Umfeldes um das Modell der vollständigen Handlung als konstruktivistischen Prozess.