Lernfelder

Im erziehungswissenschaftlichen Sprachgebrauch ist der Begriff unterschiedlich besetzt. Es gibt den „Lernort Straße“ ebenso wie „Lernfelder des Lernbereichs Sprache in der Primarstufe“ oder „Spielgruppen als soziale Lernfelder“ (vgl. KUTSCHA, G.: Lernfeld. In: Enzyklopädie Erziehungswissenschaft. Hrsg.: D. Haller und H. Meyer Stuttgart 1986, 531 – 537).

Die relative Unschärfe bzw. die komfortable Benutzeroberfläche des Begriffes korrespondiert mit seiner Benutzerfreundlichkeit. „In diesem Zusammenhang signalisiert der Ausdruck „Lernfeld“ Veränderungsabsichten in dreierlei Hinsicht: Abkehr vom Fächerprinzip als historisch überliefertem „Vermittlungsrahmen“ für die Verschulung des gesellschaftlichen Wissensvorrats, die Neubestimmung des Verhältnisses von institutionalisierten Lerninhalten und institutionell vernachlässigtem Alltagswissen sowie schließlich – und damit verbunden – die Vermeidung starrer Grenzziehungen zwischen den im Unterricht vermittelten Wissensbeständen“ KUTSCHA, G. ebenda.

Nach LISOP und HISINGA lassen folgende wesentliche Ziele für die Lernfeldstrukturierung aus den Handreichungen der KMK erkennen:

  1. Berufsbezug im Sinne der Qualifizierung von Fachkräften für Handlungskompetenz mittels anerkannter Ausbildungsberufe. Hierdurch soll an der tradierten breiten Beruflichkeit (z. B. des Facharbeiters) festgehalten werden. Neben Fachlichkeit sind Sozial- und Personalkompetenz zu entwickeln.
  2. Berücksichtigungen neuer Entwicklungen in der Betriebsorganisation, speziell flache Hierarchien, Dienstleistungsfunktionen und vernetzte Kommunikation und Information. Hiermit wird nicht nur auf das Erfordernis erhöhter aktiver Verantwortung und ressortübergreifenden Arbeitens abgestellt, sondern auch auf neue Typen der Prozessregulation, die ganze Branchen vernetzen.
  3. Bezug der Lernprozesse auf konkretes Handeln sowie gedankliche Operationen und Reflexionen. Hiermit wird zwar gegen die tradierte, aber immer schon realitätsferne Segmentierung von Theorie und Praxis argumentiert. Ferner wird durch die Betonung des Reflexiven auch auf die Wissenschaftsbasiertheit der modernen Arbeitsprozesse abgestellt.
  4. Einbeziehung konkreter lebens- und Arbeitserfahrungen der Lernenden.
  5. Analogie von Lernfeldern und Tätigkeitsfeldern des Berufs. Hiermit wird die Möglichkeit von Modularisierung „angepeilt“, z. B. eine Spezialisierung nach Funktionen.“ I. LISOP, R. HUISINGA: Lernfeldorientierung 1999, Frankfurt a. M., 18 – 19.

Nach KREMER und SLOANE gilt: „In neuen lernfeldstrukturierten Curricula werden nicht Fächer vorgegeben, sondern sogenannte Lernfelder. Der Unterricht soll auf diesen Lernfeldern aufbauen und bereits über die organisatorische Struktur fächerübergreifend und handlungsorientiert gestaltet werden. Lernfelder werden aus Handlungsfeldern (Tätigkeitsfeldern) abgeleitet. Die bekannte Ordnung nach Unterrichtsfächern wird durch eine handlungslogische Struktur ersetzt.“ Und weiter: „Lernfelder werden für die Unterrichtsarbeit in Form von Lernsituationen präzisiert. Wir verstehen diese Lernsituationen didaktisch i. S. von komplexen Lehr-Lernarrangements. Bei der Gestaltung der Lernsituationen resp. Von Unterricht muss daher der Bezug zu den ‚individuellen“ Handlungsfeldern der Lernenden wieder hergestellt werden. Dies zeigt sich dadurch, dass die in Lernsituationen angebotene Theorie in einen Anwendungszusammenhang gebracht wird. Das erworbene Wissen bezieht sich nicht abstrakt auf die Wirklichkeit, sondern kann auf konkrete Handlungsfelder und deren Problemstellungen bezogen werden. Eine Grundidee ist somit, Lerntransfer durch den Erwerb situierter Theorie zu unterstützen.“ Hier zeigt sich, „dass es keinen Widerspruch zwischen der Vermittlung von Fachtheorie (Fachinhalte) auf der einen Seite und Lernfeldern bzw. daraus abgeleiteten Lernsituationen auf der anderen Seite gibt. Vielmehr stellen Lernfelder neue Ordnungssysteme für das Fachwissen dar.“ KREMER, H./SLOANE, P.: Lernen in Lernfeldern. Brühl 2000, 72 – 73. Daher steht eine Ausrichtung beruflicher Bildung an Lernfeldern resp. Handlungsfeldern nun nicht grundsätzlich im Gegensatz zu einer wissenschaftsorientierten oder fachlich ausgerichteten Systematik. „Dies lässt sich über drei Argumentionsketten begründen:

  • Berufsausbildung ist Vorbereitung auf eine wissensstrukturierte Praxis: Mit dem Merkmal „wissenstrukturierte Praxis“ wird herausgestellt, dass die Praxis selbst als Raum anzusehen ist, der von Theorien verstärkt angeleitet wird und in dem Theoriebeherrschung i. S. von Theorieanwendung handlungsbestimmend ist. Theoriesicherheit und -beherrschung sind bestimmende Merkmale von beruflichem Handeln. Eine derartige Tendenz wird vielfach auch als Verwissenschaftlichung der Gesellschaft gekennzeichnet.
  • Wissenschaftliche Erkenntnisse sind zwar nicht Ausgangspunkt der Strukturierung beruflicher Bildungsprozesse, sie können jedoch entscheidenden Anteil an der Lösung beruflicher Probleme gewinnen: Eine Ausrichtung an Handlungsfeldern führt so nicht zu einem Weniger an Theorie in der beruflichen Bildung, sie verlangt vielmehr eine Situierung von Theorien in einem Anwendungszusammenhang für den Lerner.
  • Fachwissenschaften orientieren sich auch an (beruflicher und/oder betrieblicher) Praxis: Eine Orientierung von Fachwissenschaften an betrieblicher Wirklichkeit bedeutet, dass Wissenschaften einen wichtigen Reflexionsgegenstand zur Gewinnung von Handlungsfeldern bieten können“ (KREMER, H./SLOANE, P.: Lernfelder – Motor didaktischer Innovationen? Kölner Zeitschrift für Wirtschaft und Pädagogik, 14. Jg. 1999, Heft 26).

Lernfelder

  1. Lernfelder dürfen sich nicht grundsätzlich auf berufliche Handlungsfelder begrenzen, sondern sie müssen die individuelle und gesellschaftliche Lebensumwelt mit einbeziehen
  2. Lernfelder sind didaktisch begründete und unterrichtlich aufbereitete Handlungsfelder
  3. sind mehrdimensional und fassen komplexe Aufgabenstellungen zusammen
  4. Lernfelder orientieren sich am Kompetenzbegriff und nicht an Qualifikationen
  5. Lernfelder werden durch Lernsituationen konkretisiert
  6. Lernfelder sind offen für neue berufliche und gesellschaftliche Entwicklungen